Faltungspotenz




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Von Joannès Vermorel, Juli 2016

Faltungspotenzen sind relativ fortgeschrittene mathematische Operation. In Lieferketten kann man durch die Faltungspotenz die probabilistische Bedarfsvorhersage skalieren. Faltungspotenzen bieten die Möglichkeit, linear-ähnliche nummerische Anpassung der probabilistischen Vorhersage vorzunehmen. Außerdem kann eine Faltungspotenz als das probabilistische Gegenstück der linearen Anpassungen bei „klassischen“ Prognosen, z.B. periodische Prognosen, die auf dem Durchschnitt oder Mittelwert regressiert werden.

Motivation

Probabilistische Vorhersagen des Bedarfs sind besonders für die Optimierung von Entscheidungen nützlich, bei denen die Risiken der Lieferkette berücksichtigt werden. Doch im Gegensatz zu den klassischen Prognosen, die als eine bestimmte Menge, die einer bestimmte Zeit zugeordnet ist, ausgedrückt werden, befassen sich probabilistische Vorhersagen mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

Während Verteilungen, im Vergleich zu Indikatoren mit nur einem Punkt, mehr Einsicht in die Zukunft erlauben, sind sie auch gleichzeitig etwas komplexer zu handhaben. Hierzu kann es nötig sein, die Marktentwicklung widerzuspiegeln, was sich nicht aus den historischen Daten ergibt. Die Faltungspotenz bietet als mathematische Operation die Möglichkeit, Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf eine pseudolineare Weise zu skalieren.

Weiß ein Einzelhändler beispielsweise, dass jede Aktion eine 100%ige Erhöhung des Absatzes mit sich bringt, müsste die klassische Bedarfsprognose - die übrigens keine Aktionen berücksichtigt - einfach nur die ursprüngliche Zahl mal 2 rechnen. Bei probabilistischen Vorhersagen hingegen - die auch keine Aktionen berücksichtigen - ist es nicht möglich, Verteilungen auf diese naive Art mal 2 zu rechnen, weil die Summe der Verteilung weiterhin 1 ergeben muss, um somit die Summe der Wahrscheinlichkeiten widerzuspiegeln.

Formale Definition

In der Mathematik ist eine Faltungspotenz die $n$-fache Iteration der Faltung selbst. Daher, wenn $x$ eine Funktion $\mathbb{Z} \to \mathbb{R}$ ist und wenn $n$ ein nicht negativer Integer ist, wird die Faltungspotenz, wie folgt, definiert: $$ x^{*n} = \underbrace{x * x * x * \cdots * x * x}_n,\quad x^{*0}=\delta_0 $$ wobei $*$ die Faltungsoperation und $δ_0$ die Dirac-Distribution bezeichnen. Die Variable $n$ wird als Exponent bezeichnet.

Wenn $x$ die Wahrscheinlichkeitsdichte ist, die der diskreten Zufallsvariable $X$ mit $x(k)=\mathbf{P}[X=k]$ zugeordnet ist, kann die Faltungspotenz als Summe der Zufallsvariablen interpretiert werden: $$ X^{*n} = \underbrace{X' + X' + X' + \cdots + X' + X'}_n $$ wobei alle $X'$ unabhängige Kopien der ursprünglichen Zufallsvariable $X$ sind.

Gebrochene Exponenten

Die Faltungspotenz, wie sie im vorangehenden Abschnitt eingeführt wurde, wird für nicht negative Integer-Exponenten definiert. Doch aus einer praktischen Sicht, sind gebrochene Exponenten wünschenswert. Beträgt beispielsweise die durch die Aktion erwartete Umsatzerhöhung nur 50%, würde man stattdessen versuchen, eine Faltungspotenz mit $n=1.5$ anzuwenden. Hier verallgemeinern wir die Faltungspotenz, sodass beliebige reelle Zahlen als Exponent dienen können.

Für $a$, eine nicht negative reelle Zahl, definieren wir die Faltungspotenz, wie folgt, um:

$$ x^{*a} = \mathcal{Z}^{-1} \Big\{ \mathcal{Z}\{x\}^a \Big\} $$ wo $\mathcal{Z}$ die Z-Transformation der diskreten Verteilung $x$ ist und so definiert wird: $$ \mathcal{Z}\{x\} : z \to \sum_{k=-\infty}^{\infty} x[k] z^{-k} $$ und wo $\mathcal{Z}\{x\}^a$ die punktweise Potenz über die Z-Transformation ist und so definiert wird: $$ \mathcal{Z}\{x\}^a : z \to \left( \sum_{k=-\infty}^{\infty} x[k] z^{-k} \right)^a $$ Zuletzt ist $\mathcal{Z}^{-1}$ die inverse Z-Transformation $$ \mathcal{Z}^{-1} \{X(z) \}= \frac{1}{2 \pi j} \oint_{C} X(z) z^{n-1} dz $$ mit $X(z) = \mathcal{Z}\{x\}(z)$, das zur besseren Lesbarkeit eingeführt wird und wo $C$ ein geschlossener Weg gegen den Uhrzeigersinn ist, der den Ursprung umgibt.

Wenn $a$ ein Integer ist, stimmen die beiden oben genannten Definitionen für die Faltungspotenz überein.

In der Praxis ist die inverse Z-Transformation nicht immer definiert. Doch es gibt verschiedene Möglichkeiten, die inverse Z-Transformation zu verallgemeinern - ähnlich zur Idee der Pseudoinversen einer Matrix, die in der linearen Algebra zum Tragen kommt. Weitere Details zur Pseudoinversen der Z-Transformation gehen über den Rahmen des vorliegenden Dokuments hinaus.

Über die Pseudoinverse der Z-Transformation kann die Faltungspotenz für alle Zufallsvariablen des kompakten Trägers und für jegliche nicht negative Zahlen, die als Exponent genutzt werden, definiert werden.

Envision-Syntax

Die Programmiersprache Envision, die von Lokad bereitgestellt wird, bietet die Möglichkeit, die allgemeine Faltungspotenz umzusetzen. Die Faltungspotenz kann durch den ^*-Operator erreicht werden.
y := poisson(3) ^* 4.2 // gebrochener Exponent
Das obere Skript veranschaulicht, wie eine Poisson-Verteilung, die durch die poisson()-Funktion erhalten wird, mit der Potenz von 4.2 gefaltet werden kann.

Für $x$ eine Funktion $\mathbb{Z} \to \mathbb{R}$ und $y$ eine Funktion $\mathbb{N} \to \mathbb{R}$, können wir die Faltungspotenz von $x$ durch $y$, wie folgt, definieren: $$ x^{*y} = \sum_{k=0}^{\infty} y[k] x^{*k} $$ Envision unterstützt auch diesen alternativen Ausdruck der Faltungspotenz über den ^*-Operator, wie im unteren Skript dargestellt wird.
y := poisson(3) ^* exponential(0.05)
Der Exponent ist eine exponentielle Verteilung, die durch die exponential()-Funktion erhalten wurde.

Anwendungsfall: Ersatzteile in Luft- und Raumfahrt

Nehmen wir an, dass eine Fluggesellschaft eine homogene Flotte von 100 Maschinen betreibt. Das Unternehmen muss seinen Bestand an Hilfstriebwerken (APU) optimieren, die eine teure reparierbare Komponente darstellen, die die Maschinen benötigen. Der Bedarf an APUs wurde für den gewünschten Zeitraum als probabilistische Vorhersage $X$ berechnet.

Nun besteht die Möglichkeit für das Unternehmen, einen kleinen Konkurrenten mit 5 Maschinen derselben Art aufzukaufen. Durch diesen Erwerb, erhält das Unternehmen zusätzliche Maschinen und Passagiere. Gehen wir davon aus, dass alle Maschinen, was ihren Bedarf an APUs betrifft, statistisch unabhängig voneinander sind, und dass der Bedarf der Maschinen des Konkurrenten ähnlich zu denen des erwerbenden Unternehmens ist. So kann der Gesamtbedarf für APUs für das fusionierte Unternehmen durch $X^{*\frac{100 + 5}{100}}=X^{*1.05}$ angepasst werden.

Literaturangaben