Test für Lieferkettenleistung

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Von Joannes Vermorel, Januar 2017

Das ROI eines Lieferkettenprojekts hängt von der Leistung der benutzten Softwaretechnologie und den Fähigkeiten der im Projekt verwickelten Personen ab. Doch das ROI hängt auch stark von der aktuellen Lieferkettenleistung ab, wobei eine geringe Leistung mehr Spielraum für Verbesserung bietet. In den Folgen Absätzen bieten wir einen einfachen Test zur Beurteilung der aktuellen Lieferkettenleistung, der nur einige Minuten in Anspruch nimmt. Trotz der einfachen Gestaltung dieses Tests, sind wir der Meinung, dass es einen genaueren Einblick als die gründlichsten Benchmarks für Lieferketten bietet und das Angebot auf dem Markt prüft. Es sollte etwa 5 Minuten Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.

Ihre Lieferkettenleistung in 12 Fragen

  1. Kann Ihre Lieferkette ohne Excel funktionieren?
  2. Betrachten Sie ABC-Analysen als überholt?
  3. Sind alle relevanten Unternehmensdaten von Ihren Lieferkettenteams dokumentiert?
  4. Erfassen Sie historische Bestandshöhen?
  5. Überwachen Ihre Lieferkettenteams die Qualität Ihrer Daten?
  6. Prognostizieren Sie Durchlaufzeiten?
  7. Vermeiden Sie manuelle Eingriffe in Ihre Prognosen?
  8. Behandeln Sie operationelle Bedingungen - wie MOQs - in Form von Daten?
  9. Drücken Sie die Kosten von Fehlern in der Lieferkette in Zahlen aus?
  10. Können Ihre Entscheidungssysteme eine Woche lang unbeaufsichtigt funktionieren?
  11. Können Sie alle Entscheidungen innerhalb von einer Stunde erneut berechnen?
  12. Werden alle Entscheidungen unter sich priorisiert?

Wenn Ihr Unternehmen nicht auf mindestens 10 dieser Fragen mit ja antwortet, bietet ein quantitatives Lieferkettenprojekt ein großes Potential, ein bedeutendes ROI zu erreichen. Wenn Sie nicht 8 positive Antworten haben, können Sie davon ausgehen, dass das ROI noch größer sein wird. Sollte das Unternehmen keine 6 positiven Antworten erreichen, hat die Lieferkettenoptimierung, unserer Ansicht nach, nicht einmal begonnen.

1. Kann Ihre Lieferkette ohne Excel funktionieren?

Wenn Ihre Teams für alltägliche Entscheidungen bezüglich der Lieferkette, wie etwa, die Menge, die gekauft werden soll, Excel-Blätter nutzen, kann man davon ausgehen, dass die Lieferkette von Excel betrieben wird. Selbstverständlich ist es sinnvoll, ab und zu Excel zu benutzen, um Daten bezüglich eines wenig beachteten Problems der Lieferkette zu erkunden. Allerdings ist es nicht vertretbar, Excel für die täglichen Entscheidungsprozesse zu nutzen. So stellt Excel nicht das richtige Programm zur Erzeugung von tausenden oder gar Millionen von Entscheidungen täglich dar, wenn das Unternehmen einen zuverlässigen Lieferkettenprozess wünscht. Wenn Entscheidungen bezüglich der Lieferkette von Excel abhängen, bedeutet dies, dass diese Entscheidungen in der Praxis nicht so gut wie möglich optimiert sind.

2. Betrachten Sie ABC-Analysen als überholt?

ABC-Analysen drehen sich um die Zuordnung der Tausenden Produkte, die Ihr Unternehmen verkauft, in 3 bis 5 Klassen, die von ihrem Umsatzvolumen definiert werden. Dennoch bieten diese ABC-Klassen keine zusätzliche Information. Stattdessen stellen Sie den historischen Bedarf - jedoch roh - dar, da die meiste ursprüngliche Information dabei verloren geht. ABC-Analysen und all ihre Varianten bieten eine schwache Analysemethode, die die Komplexität Ihrer Lieferkette durch sehr allgemeine Schätzungen vereinfachen möchte. Wenn sich Entscheidungen bezüglich der Lieferkette auf Regeln stützen, die auf ABC-Klassen zurückgehen, werden diese Entscheidungen schon verbessert, indem man ABC-Klassen entfernt und etwas genauere Antworten zur Vorhersage des künftigen Bedarfs einführt.

3. Sind alle relevanten Unternehmensdaten von Ihren Lieferkettenteams dokumentiert?

Der wichtige Teil dieser Frage ist, wer die Dokumentation schreibt. Oft sind Daten zur Lieferkette, wie Umsatzhistorie, Kaufhistorie, Bestandshöhen und Produktkatalog, überhaupt nicht oder kaum dokumentiert. Doch sogar wenn eine Dokumentation vorhanden ist, könnte diese nicht vom Lieferkettenteam geschrieben worden sein, sondern von den IT-Teams. Die Dokumentation der Daten muss aber aus der Perspektive der Lieferkette geschrieben werden, an ansonsten die wichtigsten Feinheiten der Lieferkettenprozesse des Unternehmens ausgelassen werden. Fehlende Datendokumentation ist der Hauptgrund, weshalb viele, wenn nicht sogar die meisten Versuche scheitern, langfristige Probleme zu lösen. In Wirklichkeit gehen solche Probleme gewöhnlich auf die Randfälle zurück, die man über genaue auf sie zugeschnittene Regeln hätte verhindern können. Doch gerade weil eine genaue Dokumentation aus der Perspektive der Lieferkette fehlt, können Unternehmen üblicherweise diese Lösungen nicht umsetzen.

4. Erfassen Sie historische Bestandshöhen?

Sie können nichts optimieren, das Sie nicht messen und umso besser die Messungen, desto besser die Optimierung. Lieferketten benötigen die Erfassung vieler historischer Datasets: Umsatzhistorie, Kaufhistorie, Lagerbewegungen, usw. Doch oft werden historische Bestandshöhen nicht richtig erfasst. Während ERP- / MRP- / WMS-Anbieter argumentieren mögen, dass dies ihr System belasten könnte, stellt das Speichern solcher Daten heutzutage dank der verfügbaren Speicherkapazität kaum noch eine Herausforderung dar. Daher ist, wenn Ihr Lieferkettensystem keine historischen Bestandshöhen erfasst, wenig vorhanden, womit man gegen die Verzerrungen, die von den Bestandshöhen selbst eingeführt werden, ankämpfen kann.

5. Überwachen Ihre Lieferkettenteams die Qualität Ihrer Daten?

Wie gesagt, ist das wichtige an dieser Frage, wer die Überwachung vornimmt. Die Qualität der Lieferkettendaten stellt einen Schlüsselfaktor für den reibungslosen Ablauf der Lieferkettenprozesse dar. Doch allzu oft verfügen die Lieferkettenteams über wenige oder keine Mittel, die Qualität ihrer eigenen Daten zu überwachen und zu reagieren, wenn die KPIs beginnen, sich vom ursprünglichen Ziel zu entfernen. Dabei liegt der Wert im Auge des Betrachters. Die Aufgabe, die Qualität der Lieferkettendaten zu überwachen und aktiv auftretende Probleme zu lösen, kann nicht den IT-Teams überlassen werden. Dies sollte eine der Hauptverantwortungen des Lieferkettenteams sein. Wenn dieses Team seine Verantwortungen nicht bereitwillig annimmt, schleichen sich im Laufe der Zeit immer wieder Probleme ein, die unbemerkt bleiben und immer zu kostspieligen, wenn auch verteilten, Fehler für das Unternehmen führen.

6. Prognostizieren Sie Durchlaufzeiten?

Eine gute Bedarfsprognose ist nichts ohne eine gute Prognose der Durchlaufzeiten. In der Tat muss das Unternehmen, um die richtigen Mengen zur richtigen Zeit zu kaufen oder zu prognostizieren, nicht nur den künftigen Bedarf richtig prognostizieren, sondern auch den richtigen Zeitrahmen, der gedeckt werden soll. Durchlaufzeiten variieren und weisen, sowie auch der Bedarf, viele statistische Muster, wie Saisonalität oder Ungewissheit auf. Beispielsweise erhöhen sich die Durchlaufzeiten während des Chinesischen Neujahrsfests, wenn die Herstellung in China erfolgt. So reagieren Lieferketten eher schlecht auf ungeplante Änderungen in den Durchlaufzeiten, wenn Durchlaufzeiten nicht prognostiziert werde werden. Doch die statistische Prognose der Durchlaufzeiten widmet sich diesem Projekt direkt, um das Meiste aus der Bedarfsprognose, die „auf“ der Prognose der Durchlaufzeit vorgenommen werden sollte, herausholen zu können.

7. Vermeiden Sie manuelle Eingriffe in Ihre Prognosen?

Wenn eine statistische Prognose falsch ist, sollte das statistische Modell, das als Grundlage gilt, repariert werden. Wenn ein statistisches Modell maßgebende Daten nicht berücksichtigt, die dem Fachpersonal für Lieferkette zur Verfügung stehen, sollten diese Daten in das System eingegeben und bereitgestellt werden. Sollten statistische Modelle diese zusätzliche Information nicht nutzen können, müsste das Modell durch ein anderes, das dazu in der Lage ist, getauscht werden. Es gibt keinen guten Grund, manuelle Eingriffe in Prognosen oder Prognosemodelle zu dulden. Diese stellen gewöhnlich nicht nur einen deutlichen Zeitverlust dar, sondern lenken das Fachpersonal von der Lösung des eigentlichen grundlegenden Problems ab, das auch für die manuellen Eingriffe verantwortlich ist.

8. Behandeln Sie operationelle Bedingungen - wie MOQs - in Form von Daten?

Abgesehen von den Transaktionsdaten, wie etwa der Umsatzhistorie, sind auch viele andere Datasets für die Entscheidungsfindung im Bereich Lieferkette wichtig: Mindestbestellmengen (MOQs), Transportkosten, maximales Containervolumen, Nachlässe der Lieferanten, Vertragsstrafen, usw. Da alltägliche Lieferkettenabläufe von diesen Daten abhängen, sollten diese als Produktionsdaten behandelt werden. Doch oft werden die o.g. Informationen nicht einmal richtig in den IT-Systemen der Produktion berücksichtigt. Stattdessen werden diese Daten gewöhnlich in Excel-Blättern oder Access-Datenbanken gehalten, die der IT unbekannt sind. Der Ausschluss dieser Daten aus den hauptsächlichen IT-Systemen deutet darauf hin, dass sich die Produktion auf unzuverlässige Datenquellen stützt, wie etwa Excel-Blättern oder Access-Datenbanken. Folglich ist die Lieferkette nicht komplett optimiert, um mit den zuvor erwähnten Bedingungen effizient umzugehen.

9. Drücken Sie die Kosten von Fehlern in der Lieferkette in Zahlen aus?

Lieferketten erfüllen nicht ihre Arbeit, also kommt es ständig zu Fehlbeständen oder totem Bestand. Außer Frage steht, dass eine Minderung der Häufigkeit und des Ausmaßes solcher Fehler wünschenswert und fast immer möglich ist. Doch es wäre unvernünftig, Perfektion als Ziel anzustreben. Ein gewisses Maß an Fehlern wird immer auftreten, denn die Suche nach dem Vollkommenen, also null Fehler, wäre deutlich kostspieliger als die Fehler selbst. Daher sollte ein Gleichgewicht zwischen den Bestandskosten und den Kosten der Fehlbestände gefunden werden. Dabei kann das Unternehmen sein Risiko nicht einschätzen, wenn die wirtschaftlichen Kosten, die mit Lieferkettenfehlern zusammenhängen, nicht quantifiziert werden. In der Praxis bedeutet das, dass das Unternehmen das Risiko bezüglich seiner Lieferkette nicht optimiert.

10. Können Ihre Entscheidungssysteme eine Woche lang unbeaufsichtigt funktionieren?

Jede Woche fallen Millionen von Entscheidungen an, wenn es um eine größere Lieferkette geht. Während die IT-Systeme von den Lieferkettenteams unterstützt werden können, können letztere auf keinen Fall jede einzelne Entscheidung managen, da es einfach zu viele sind. Folglich sind alle modernen Lieferketten bis zu einem gewissen Grad automatisiert, etwa durch Konzepte wie Min-/Max-Bestände. Wenn Ihr Entscheidungssystem für die Lieferkette nicht eine Woche lang unbeaufsichtigt funktionieren kann, bedeutet dies, dass es zweifellos unratsame Entscheidungen trifft. In der Praxis bedeutet dies auch, dass diese „unratsamen“ Entscheidung konstant ausgeführt werden, einfach weil keiner diese Entscheidungen manuell überschreibt. Sollte sich also Ihr Unternehmen nicht darauf verlassen, dass seine eigene Automatisierung eine Woche lang alleine alles in Stand hält, würden Sie durch die Korrektur der „fehlerhaften“ Teile der Lieferkettenautomatisierung viele Vorteile gewinnen.

11. Können Sie alle Entscheidungen innerhalb von einer Stunde erneut berechnen?

Wendigkeit ist für jede Lieferkette wesentlich. Die Unternehmenswelt befindet sich im ständigen Wandel und es müssen ständig mögliche Szenarien näher betrachtet werden. Oft macht es wenig Sinn, Antworten in Echtzeit von Systemen zu erhalten, wenn es um die Änderung einer Kernfrage geht, wie etwa der Luft- oder der Seetransport von Ware. Doch wenn es um Lieferkettenmodelle geht, ist es unabdingbar, dass Antworten innerhalb von etwa einer Stunde erhalten werden können. So sollte das Lieferketten-Management in der Lage sein, Feedback bezüglich eines potenziellen neuen Ansatzes, zumindest als Simulation, noch am selben Tag zu erhalten. Da Simulationen normalerweise einige Versuche bedürfen, um sie mit den passenden Einstellungen richtig „hinzubekommen“, besteht keine Chance, solch ein Feedback noch im selben Tag zu erhalten - wenn nicht alle Modelle innerhalb von einer Stunde erneut ausgeführt werden können. So können Unternehmen, die nicht in der Lage sind, alle Entscheidungen bezüglich der Lieferkette mit verschiedenen Hypothesen erneut zu generieren, auch keine Lieferkettenoptionen erkunden, die ihnen zur Verfügung stehen. Dies hat zur Folge, dass jede Menge Potential nicht ausgeschöpft wird.

12. Werden alle Entscheidungen untereinander priorisiert?

Viele traditionelle Lieferkettensysteme konzentrieren sich stark auf Silos, also werden Entscheidungen lokal getroffen, ohne Zusammenhänge zu berücksichtigen. So ist es beispielsweise am besten, wenn in einem Lager nur noch wenige Einheiten eines bestimmten Produkts vorhanden sind, sicherzustellen, dass die wenigen verbleibenden Einheiten in den Geschäften verteilt werden, die sie am meisten benötigen. Wenn aber Entscheidungen isoliert getroffen werden, könnte ein Geschäft eine größere Bestellung für dieses Produkt aufgeben und somit einen Fehlbestand im Lager auslösen, obwohl das Geschäft vielleicht zu diesem Zeitpunkt keine so große Nachbestellung benötigt. Unternehmen, die ihre Entscheidungen im Bereich der Lieferkette isoliert treffen, berücksichtigen systematisch nicht die Zusammenhänge und vergessen somit, dass sich die Entscheidungen bei Lieferketten nicht nur lokal auswirken. Daher profitiert die Leistung Ihrer Lieferkette deutlich, wenn die Entscheidungen bezüglich der Lieferkette systematisch untereinander priorisiert werden.