Langfristige Preisstrategien

Illustration-Notebook-als-Buch






Von Gaël Grasset, Juli 2015

Preise stellen einen Kompromiss zwischen kurz- und langfristigen Strategien, Rentabilität und Marktanteil, sowie der Höhe von Kapitalflüssen dar. Daher werden die Preise in Unternehmen so festgelegt, dass die verschiedenen Ziele, wie etwa Rentabilität, Kapitalfluss oder Wachstum, erreicht werden. Hohe Preise maximieren den Gewinn auf kurze Sicht, aber führen zu einem Verlust an Marktanteil, was sich langfristig negativ auf den Gewinn auswirkt. Niedrige Preise maximieren den Gewinn auf Dauer, da sie generell für Kunden attraktiver sind. Dies ermöglicht auch, dass Unternehmen an Marktanteil gewinnen.

Die gesamte Marketingstrategie eines Unternehmens setzt sich grundsätzlich aus vier Bereichen zusammen: Kosten, Wettbewerb und Marktspezifität, Unternehmensziele, Zielmarkt und Marke.

Kosten, Wettbewerb und Marktspezifität erlauben dem Unternehmen, verschiedene Preisstrategien umzusetzen (zum Beispiel Zuschlagskalkulation oder gebrochene Preise). Andererseits wirken sich Unternehmensziele, Zielmärkte und Branding auf die Festlegung des Preisniveaus aus (beispielsweise erlaubt die Zuschlagskalkulation Unternehmen, ihre Gewinnspanne zu bestimmen).

Entsprechend der Branding-Strategie und der Zielmärkte eines Unternehmens ändern sich auch die Preise deutlich. So sind für Modeunternehmen die Preissignale und die Marke wichtiger als die Qualität des Produkts und dementsprechend die Preiselastizität in diesem Falle positiv. Daher wird das Ziel der Preisstrategie bei solchen Unternehmen sein, die Preise so hoch wie möglich festzusetzen.

Marke und Zielmarkt

Marke und Zielmarkt bestimmen das Preisniveau. Die Marke selbst ist bereits ein Zeichen für die Qualität und das Preisniveau. Beispielsweise verkauft Apple aufgrund seines High-end-Brandings keine Lowcost-Handys, während Walmart keine Produkte höherer Preisklassen verkauft. Der Zielmarkt definiert also den Preis: Studenten können sich zum Beispiel keine sehr teuren Produkte leisten.

Jede Marke wird mit einem bestimmten Image verbunden daher muss der Preis diesem Image entsprechen. Tatsächlich hängt der Preis mehr von der Marke ab, als von der Qualität des Produkts. Luxusmarken vermeiden deshalb Ermäßigungen und Tiefpreise, weil sie dem wahrgenommenen Wert ihrer Güter schaden. Als Extremfall könnte man eine Luxusuhr, wie etwa Rolex, hernehmen, die scheinbar einen anhalten Luxuswert besitzt. Das impliziert, dass der Preis einer bestimmten Marke im Einklang mit dem Gesamtimage der Marke gesetzt werden muss und dementsprechend die Preise der einzelnen Produkte einer Marke untereinander abgestimmt sein müssen.

Im Branding fordert dieser Preiszusammenhang, dass man sich auf einen bestimmten Zielmarkt konzentriert. Walmarts Zielmarkt besteht hauptsächlich aus Kunden der Unter- und Mittelschicht, während sich Apples Zielmarkt um die Oberschicht dreht. Aus dieser Perspektive scheinen Preise zur Differenzierung der Zielmärkte von anderen potentiellen Kunden zu dienen. Laut Veblen betreiben die höheren Gesellschaftsschichten „Geltungskonsum“: Ihr Konsumbedarf richtet sich nach ihrem Wunsch, ihr Reichtum zur Schau zu stellen, d.h., dass sie oft Produkte lediglich nach dem Preis wählen. Hat ein Unternehmen diese obere Schicht als Zielpublikum, muss es den Preis sehr hoch setzen, um sich abzuheben.

Zusätzlich sind diese oberen Schichten auf Tiefpreise empfindlich und sind daher bereit für Alltagsprodukte mehr auszugeben, auch wenn dies nur mit einer geringen Qualitätsverbesserung des Produkts einhergeht. Beispielsweise schwanken die Preise für Müllbeutel zwischen unter 1€ und 2€. Das 2€ Preisschild ist für die höheren Schichten nicht relevant, daher ist es wahrscheinlich, dass diese Kunden sich für das teurere Produkt entscheiden.

Lang- und kurzfristiger Gewinn im Einzelhandel

Auf lange Sicht wird die Preisstrategie auch von der Konkurrenz auf dem Markt beeinflusst. Daher hängt der Gewinn mit dem Marktanteil eines Unternehmens zusammen. Preisabweichungen sind von begrenzter Dauer, generell tendieren Unternehmen dazu, langfristig zur konkurrenzorientierten Preisbestimmung zurückzukehren und ein neues Gleichgewicht zwischen Marktanteil und Gewinn zu erzeugen. In Folge definieren wir eine Reihe von Gleichgewichtspunkten zwischen Gewinn und Marktanteil.

Je nach Lifetime Value des Kunden kann ein Unternehmen zwischen zwei Strategien wählen:

Ist der Lifetime Value hoch, ist eine Penetrationsstrategie zur Erhöhung des Marktanteils rentabel. Hierbei muss man dennoch mit kurzfristigen Verlusten rechnen, um den künftigen Gewinn zu steigern.

Ist der Lifetime Value gering, lohnt sich eine Strategie, die den kurzfristigen Gewinn steigert und dafür langfristig Gewinn einbüßt.

Gleichgewicht bei langfristigem vs. Kurzfristigem Gewinn im Einzelhandel.

Kurzfristige Gewinnmaximierung: Cash-Flow Strategien

Muss ein Unternehmen seinen Cash-Flow erhöhen, kann es dies durch eine Preiserhöhung schaffen. In diesem Fall verändert sich der Marktanteil des Unternehmens auf kurze Sicht kaum. Die unmittelbare Folge einer Preiserhöhung ist ein Anstieg der Margen und daher ein höherer Gewinn. Dennoch hat diese Preiserhöhung auch einen langsamen Rückgang von Kunden, die zu den Wettbewerbern übergehen, zur Folge. Auf lange Sicht entsteht ein neues Gleichgewicht, indem etwas Marktanteil verloren geht und etwas weniger Gewinn erzeugt wird.

An diesem Beispiel erkennt man, dass ein Unternehmen etwas Marktanteil für Gewinn tauschen kann. Der Hintergrundgedanke ist, dass die Anpassung der Nachfrage etwas Zeit in Anspruch nimmt (wie Peter Diamond 1971 betonte). Diese Zeit kann vom Unternehmen genutzt werden, um sofortigen Gewinn zu erzeugen, wenn man berücksichtigt, dass sich die Nachfrage auf Dauer anpassen und verändern wird.

Muss ein Unternehmen sein Umlaufkapital erhöhen, kann es dies durch eine Preiserhöhung erreichen.

Langfristige Gewinnmaximierung: Wachstumsstrategie

Wenn ein Unternehmen eine Wachstumsstrategie annehmen möchte, sieht es sich gezwungen, die Preise zu senken. Die sofortige Folge ist die Senkung der Margen und somit ein Rückgang des Gewinns.

In diesem Fall muss dem Unternehmen bewusst sein, dass es für eine langfristige Erhöhung des Marktanteils etwas Gewinn und Cash-Flow einbüßen muss. Dies basiert auf dieselbe Idee von Peter Diamond, die zuvor erwähnt wurde. Tatsächlich kann ein Unternehmen davon ausgehen, dass sich die Nachfrage auf lange Sicht seinem Gewinn anpassen wird. Wachstumsstrategien stützen sich auf die Erwartung, dass kurzfristige Verluste durch langfristigen Gewinn kompensiert werden. Ein weiterer Grundsatz geht davon aus, dass das Unternehmen über ausreichende Mittel verfügt, um die kurzfristigen Verluste zu überstehen. Für ein Unternehmen ist die Werbung von neuen Kunden eine Investition mit einer Amortisation auf lange Sicht.

Wenn ein Unternehmen eine Wachstumsstrategie einführen möchte, ist es gezwungen, die Preise zu senken.

Wesentliche Literaturangaben

  • Diamond P. A., “A model of price adjustment”, Journal of Economic Theory, 1971
  • Nagle T., Hogan J. & Zale J., The strategy and tactics of pricing. A guide to growing more profitably, 5th ed., Person new international edition, 2014
  • Smith T. J., Pricing strategy. Setting price levels, managing price discounts & establishing price structures, International Edition, 2012
  • Veblen T., The theory of the leisure class – an economic study of institutions, 1899