Gebrochene Preise

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Von Gaël Grasset, Juli 2015

Die Methode der gebrochenen Preise zielt auf die Gewinnmaximierung über Mikroanpassungen der Preisstruktur ab. Sie stützt sich auf die Annahme, dass Kunden nicht gerne rechnen und daher bei Kaufentscheidungen nur die ersten zwei Ziffern des Preises berücksichtigen. Laut dieser Methode liegt die relevante Information eines Preises eher in den erste, als in den letzten Ziffern, oder anders gesagt, in der Größenordnung der Zahlen. So sieht beispielsweise der Preis 17,99 € ähnlicher 17 € aus, als zu 18 €.

Diese Methode zur Preisgestaltung ist sehr verbreitet. Lauf Judith Holdershaw et al, enden über 90% der Preise in Neuseeland mit einer Zahl über 5 und 60% davon mit einer „9“.

Warum gebrochene Preise nutzen?

Die Preisstrategie der gebrochenen Preise geht davon aus, dass Kunden bei der Bewertung der Preise sehr viel Wert auf ihre Zeit legen. Dabei ist die Bewertung jeder zusätzlichen Ziffer mit Zeitkosten verbunden, was dazu führt, dass die ersten Ziffern entscheidender sind als die letzten. Man kann eine Relevanzrate für jede Ziffer bestimmten und so die Konzepte „empfundener Preis“ und „tatsächlicher Preis“ definieren.

Gehen wir davon aus, dass ein Verbraucher den Preis, 1743,99 € analysieren muss. Die erste Ziffer enthält bereits über 50 % der Information, da 1000 € über 50 % des Preises ausmacht. Dies bedeutet, dass der Verbraucher diese Zahl lesen und deutlich verstehen wird. Da die zweite Ziffer (700 €) etwa 40 % der Bedeutung des Preises ausmacht, liest der Verbraucher auch diese Zahl. Die dritte Ziffer hingegen (40 €) enthält nur etwa 2 % der gesamten Preisinformation und ist daher weniger relevant. In diesem Fall ist der für den Verbraucher relevante Preis entweder 1740,00 € oder 1700 €, je nach der erwünschten Relevanzgrenze.

Die empfundene Relevanz der Zahlen in einem Preisschild wird mit jeder Stelle geringer.

Wenn der relevante Teil, oder in anderen Worten, der empfundene Teil eines Preises bestimmt wurde, kann der Gewinn aus dieser Zahl maximiert werden, indem die irrelevanten Ziffern mit „Neunen“ getauscht werden. Das Hinzufügen von zusätzlichen „irrelevanten“ Ziffern hat keinen Einfluss auf den empfundenen Preis und wirkt sich daher auch nicht auf die Nachfrage oder den Absatz des Artikels aus. Doch die nicht empfundenen Ziffern im Preis erhöhen den Gewinn. Dies ist der Fall der 99 Cent im oberen Beispiel bei 1743,99 €. Angesichts des Gesamtpreises des Produkts, haben die 99 Cent keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers und erhöhen somit den Gewinn.

Tatsächliche Relevanz vs. Empfundene Relevanz der Zahlen innerhalb eines Preisschildes.

Eines der Probleme, die bei diese Methode berücksichtigt werden muss, hängt mit der Preisspanne zusammen. Heutzutage bieten die meisten Webseiten für Online-Handel die Möglichkeit, Güter nach Preisspannen, wie etwa 50 - 99 € zu filtern, was einen potentiellen positiven Einfluss auf die Nachfrage haben kann.

Diese Methode wirkt sich in zweierlei Hinsicht auf die Buchhaltung aus. Erstens ist es einfach, wenn alle Preise mit ",99" enden, die täglichen Verkaufszahlen zu berechnen. Hat der Cash Flow am Ende des Tages ",38" als letzte Ziffern, bedeutet dies, dass 62 Verkäufe (oder 162, 262, etc.) getätigt wurden. Zweitens erschwert diese Methode den Diebstahl in Unternehmen, in denen Mitarbeitet leichten Zugang zum Geld haben (wie etwa in Supermärkten). Da müsste man einen Betrag, der sich aus ",99" zusammensetzt aus der Kasse nehmen, um es wie einen Verkauf aussehen zu lassen, was schwieriger ist, als bei ",00" Preisen.

Funktioniert es?

Kann man eine Veränderung in der Nachfrage erkennen, wenn man Preise mit ",99" und ",00" Endungen vergleicht? Ist dies der Fall, wäre die Bedeutung der ",99"-Endung deutlich wichtiger als der Cent, der beide Preise unterscheidet.

Laut Guéden et al kann dieser Einfluss äußerst bedeutend sein. Ihre Studie dreht sich um ein kleines Pizzeria-Grillrestaurant in Frankreich. In diesem Restaurant wurden 9 Hauptgerichte angeboten, unter ihnen fünf verschiedene Pizzen. Es wurde der Einfluss der Preisendung einer der Pizzen getestet. Zwei Wochen lang wurden alle Pizzen mit einer runden Preisendung, also einer 00-Endung (wie 9,00 €) angeboten. Während in den nächsten zwei Wochen die Test-Pizza mit einer 9-Preisendung angeboten wurde (also 8,99 €) und die restlichen vier Pizzen eine 00-Endung hatten. In einer weiteren zweiwöchigen Zeitspanne wurden alle Pizzen mit einer 9-Preisendung angeboten. Die Studie ergab, dass eine erhöhte Nachfrage nach der Test-Pizza bestand, wenn ihr Preis eine 9-Endung hatte und die restlichen Pizzen mit Null endeten. Während es keinen Unterschied in der Nachfrage dieser Pizza gab, wenn alle Pizzen dieselbe Art von Endung (9 oder 0) hatten. Das zeigt, dass auf 9 endende Preise eine verhältnismäßig hohe Bedeutung auf dem Markt haben können.

Schindler und Kibarian erstellten auch eine Studie bezüglich des Einflusses gebrochener Preise, doch im großen Maße. Konkret untersuchten sie die Preisendungen ",88", ",99" und ",00" in einem Online-Handel für Damenmode. Die Ergebnisse zeigten, dass der Absatz von Artikel mit ",99"-Preisendungen 8% höher war im Vergleich zu denen mit ",00"-Preisen. Dies geschah aber nicht mit den ",88"-Preisen. Der Theorie der gebrochenen Preise nach, sollte sich die mit ",99"-Preisendungen verbundene Wahrnehmung nicht von der der ",88"-Preise unterscheiden und sollte dementsprechend zur gleichen Nachfrage führen. Doch empirische Daten beweisen, dass eine höhere Kaufbereitschaft mit ",99"-Preisen erreicht wird. Bei gebrochenen Preisen scheint die Empfindung der Verbraucher bzgl. „preisgünstiger“ Produkte ausschlaggebend zu sein. Letztendlich führt dies zu einer Erhöhung der Kaufbereitschaft.

Worin liegen die Hauptprobleme der gebrochenen Preise?

Gebrochene Preise stützen sich auf die Annahme, dass Verbraucher sich bei gebrochenen Preisen auf ihren Nennwert konzentrieren und nicht zu viel Zeit oder Bemühung aufwenden, um zu verstehen, was sich hinter den letzten Ziffern eines bestimmten Preises verbirgt. Doch diese Annahme trifft nicht immer zu. Nehmen wir ein Beispiel aus der Immobilienbranche. Geht man von der oben genannten Hypothese der gebrochenen Preise aus, sollte es, technisch gesehen, für einen Käufer nicht viel Unterschied machen, ob eine Immobilie für 1.860.000,99 € oder für 1.810.000,99 € verkauft wird. Doch die Differenz von 50.000 € in beiden Preisen ist äußerst bedeutend und wird vom Käufer mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht übersehen werden. Folglich kann man an diesem Beispiel erkennen, dass gebrochene Preise nicht in allen Fällen funktionieren.

Ein weiteres Problem liegt in den psychologischen Effekten, die mit gebrochenen Preisen assoziiert werden. Produkte, deren Preise auf ",99" enden werden oft als Aktions- oder Billigprodukte empfunden. Daher kann die Änderung der letzten Ziffern zu einer Veränderung der Wahrnehmung der Produktqualität führen. Wenn wir davon ausgehen, dass die empfundene Produktqualität einen Einfluss auf die Nachfrage hat, kann die Wahrnehmung einer reduzierten Qualität, die mit ",99"-Preise einhergeht, zu einer geringeren Nachfrage und folglich zu einem geringeren Gewinn führen.

Zur Veranschaulichung, können Verbraucher empfinden, dass eine Kaffeemaschine, unter 20 € nicht teuer genug ist und den Preis als ein Zeichen für geringe Qualität empfinden. Daher würde die Festlegung des Preises der Kaffeemaschine bei 19,99 € die Nachfrage deutlich mindern. Dies verdeutlicht, wie gebrochene Preise in diesem Falle nicht effektiv wären.

Wesentliche Literaturangaben

  • Anderson E. T. & Simester D. I., “Price cues and customer price knowledge”, 2008
  • Guéguen N., Jacob C., Legoherel P. & Ngobo P., “Nine-ending priceing and consumer’s behavior : A field study in a restaurant”, International Journal of Hospitality Management, 2009
  • Holdershaw J., Gendall P. & Garland R., “The widespread of use of odd pricing in the retail sector”, Marketing Bulletin, 1997
  • Nyström H., Retail Pricing. An Integrated Economic and Psychological Approach, 1970
  • Schindler R. M. & Kirbarian T. M., “Increased consumer sales response though use of 99-Ending prices”, Journal of Retailing, 1996