Sales and Operations Planning (S&OP)

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Von Joannes Vermorel, Februar 2020

Sales and Operations Planning (S&OP) bezeichnet eine Unternehmenspraxis, mit der eine bessere Supply-Chain-Execution erreicht werden soll, indem die Ziele der Supply-Chain mit denen anderer Abteilungen, insbesondere des Vertriebs, der Finanzen und der Herstellung, in Einklang gebracht werden. Dabei handelt es sich gewöhnlich um einen monatlichen Prozess, der mit der Umsatzprognose beginnt und mit quantifizierten Produktionsplänen endet. Diese Praxis kam in den 80ern zusammen mit den ERPs und MRPs, die die Zahlen als Grundlage der Prognose lieferten, auf.

Sales & Operation Meeting in einem Unternehmen


Der Ursprung und die Begründung der S&OP

Die Wirtschaft in der Nachkriegszeit der 50er und 60er war in vielerlei Hinsicht sehr einfach: das Angebot gering halten, den Produktionsdurchsatz erhöhen, Preise durch Größenkostenersparnisse senken und letztlich den Bedarf über Massenmedien zu steigern. Doch Ende des 20. Jahrhunderts waren Supply-Chains über dieses Modell hinausgewachsen: es gab breitgefächerte Produktpaletten, mehr Standorte und mehr Stufen. Folglich tauchten auch einige Leistungsschwächen auf und die Supply-Chain kristallisierte sich als ein von der Logistik abgegrenztes Konzept heraus. In diesem Kontext wurde S&OP in den 80er Jahren geprägt, als Unternehmen begriffen, dass interne Abweichungen beträchtliche Betriebskosten hervorrufen konnten. Sowohl S&OP (1) und Informationssilos (2) wurden 1988 formalisiert.

So bemerkten große Unternehmen in den 80er Jahren, dass sich einige Probleme in ihren Lieferketten verbreitet hatten:

  • Das Unternehmen konnte gleichzeitig riesige Überbestände und niedrige Servicelevels verzeichnen.
  • Überbelegte Ingenieurteams verwarfen die meisten F&E Projekte, lieferten jedoch wichtige Produkte stets zu spät.
  • Marketingteams förderten Über- und Unterproduktion, indem sie sich auf die falschen Produkte konzentrierten.

Vor diesem Hintergrund, bot S&OP eine zweierlei entscheidende Antwort. Erstens musste die Abstimmung zwischen der anfänglichen F&E und dem Marketing unter die direkte Leitung des Top Managements, einschließlich Geschäftsführer, fallen. Diese Abstimmung sollte nach einem spezifischen Prozess geschehen, der durch die S&OP ausgearbeitet wurde. Zweitens musste der Prozess explizit und quantitativ datengestützt sein –ein wahre Neuheit, die erst Ende der 80er dank der elektronischen Erfassung von Bestandshöhen und Warenbewegungen durch die Ausbreitung der ERPs möglich wurden.

Die 5 Schritte der S&OP

Der S&OP-Prozess ist gewöhnlich zyklisch und stützt sich nach Wahl des Unternehmens auf jährliche, vierjährliche und/oder monatliche Schritte. Der Geschäftsführer sollte die Leitung des Prozesses übernehmen und dafür sorgen, dass alle Stakeholder ausreichende Ressourcen in das S&OP-Projekt stecken, um den erwarteten unternehmensweiten Nutzen zu ziehen. Dabei sollte der Prozess folgende Schritte durchlaufen:

  • Umsatzprognose: Die historischen Umsatzdaten sowie die quantitativen Einblicke des Vertriebs werden in einem von unten nach oben verlaufenden Prozess konsolidiert, wobei man mit den Vertriebsmitarbeitern beginnt. Es werden rohe Bedarfsprognosen erstellt.
  • Bedarfsplanung: Die Bedarfsprognose wird beurteilt und validiert. Es werden strukturellen Einblicke in Bezug auf den zukünftigen Bedarf eingemischt und strategische Risiken festgestellt, die u.U. nicht in der rohen Prognose widergespiegelt werden, wie etwa Quellen, von denen Schwankungen erwartet werden (z.B. Marketingmaßnahmen).
  • Supply-Planning: Beurteilung und Validierung der prognostizierten Kapazitäten, die für die Deckung des Bedarfs erforderlich sind, unter Berücksichtigung der prognostizierten Schwankungen sowohl im Bedarf als auch in der Belieferung. Priorisierung und Terminplanung der erforderlichen Tätigkeiten.
  • Abstimmung der Pläne: Abstimmung des Bedarfsplans mit dem Supply-Plan und Beurteilung der allgemeinen finanziellen Leistung des Unternehmens (Bruttogewinnspannen, Kapitalflüsse, langfristige Kundenbindung, usw.).
  • Abschluss der Planung: Der Plan wird abgeschlossen und bekanntgegeben, sodass er im Unternehmen breit zugänglich ist und die involvierten Personen ihre Beiträge zum Plan leisten können.

Der S&OP-Prozess beinhaltet eine Reihe von Meetings, die zur Förderung der Ausrichtung, der Abstimmung und der Synchronisierung aller Organisationsfunktionen dienen sollen. Diese Meetings bieten gewöhnlich die Möglichkeit zur „Umplanung“ an, indem man vom vorangehenden Plan ausgeht und sich auf die Punkte konzentriert, bei denen Korrekturen am nötigsten sind.

Auf Software-Ebene stützt sich die S&OP auf das geschäftliche Rückgrat des Unternehmens, also das ERP (Enterprise Resource Planning), das MRP (Material Requirements Planning), das WMS (Warehouse Management System) und das TMS (Transportation Management System), um die relevanten historischen Daten zu erhalten, doch die analytischen Aufgaben werden gewöhnlich spezifischen Software-Komponenten überlassen, oft einem APS (Advance Planning and Scheduling). Das APS bietet S&OP direkte Unterstützung aus einer numerischen Perspektive, zur Berechnung der statistischen Prognosen, und aus einer Workflow-Perspektive, sodass Nutzer die Zahlen korrigieren und validieren können.

Antipatterns in S&OP

Trotz der Behauptungen vieler Anbieter, dass die besten Unternehmen S&OP nutzen, treten bei den meisten Umsetzungen dieselben Fehler auf, die sich genau auf die Natur der S&OP zurückführen lassen, nämlich:

  • Manche der Beteiligten haben strukturelle Anreize, um den S&OP-Prozess auf eine Weise zu verändern, der man nicht ohne die Einführung weiterer Probleme entgegenwirken kann. Beispielsweise bezieht sich „sandbagging“ auf die verbreitete Praxis, sich sehr konservative Ziele zu setzen, um „die Erwartungen zu übersteigen“, was gewöhnlich zu Beförderungen/Boni innerhalb des Unternehmens sorgt.
  • Die erstaunende Anzahl an Involvierten in der S&OP führt meistens zu „zu vielen Köchen“. Das Unternehmen ist nicht in der Lage, entscheidende Maßnahmen für sein Überleben zu treffen, da die Entscheidungen die verschiedenen Teilnehmer vor den Kopf stoßen können.
  • Auch in den günstigsten Fällen ist der S&OP-Prozess zeitintensiv für die Führungsteams im Unternehmen. Die Tatsache, dass S&OP-Kosten ein notwendiges Übel sind, ist umstritten, dennoch handelt es sich immer um einen komplexen Prozess.
  • Die Prognosen sind immer in gewissem Maße falsch und sorgen stets für Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten. Versuche zur Verbesserung der Prognosegenauigkeit führen fast immer zu einer höheren Software-Komplexität zu Lasten der Zuverlässigkeit der Software. Für die meisten Beteiligten sind statistische Prognosen etwas schleierhaft –sogar oft für die Softwareanbieter selbst.

Bemerkenswert ist auch, dass die meiste Kritik gegen S&OP –gleich ob begründet oder nicht– nach dem Trugschluss „Kein wahrer Schotte“ abgewiesen wird. Der Philosophieprofessor Bradley Dowden erklärt den Trugschluss vereinfach wie folgt:

Person A: „Kein Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei.“
Person B: „Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er streut sehr wohl Zucker auf seinen Haferbrei.“
Person B: „Kein wahrer Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei!“
In der Tat herrscht in vielen Unternehmen, die Schwierigkeiten mit dem S&OP-Prozess haben, der Konsens, dass ihre S&OP-Variante schuld an allem ist, statt die alternative Perspektive in Betracht zu ziehen, dass obwohl S&OP für den Betrieb des Unternehmens nötig ist, es auch vorhersehbare Nachteile mit sich bringt.

Die Grenzen der S&OP

Wie die meisten Ideen ist auch S&OP ein Produkt seiner Zeit, also der 80er Jahre. Seither hat sich die prädiktive Optimierung von Supply-Chains auf einer solchen Art verändert, die man sich damals nicht hätte träumen lassen. Aus diesem Grund könnte man argumentieren, dass:

  • S&OP eine etwas simple Perspektive der „Zukunft “ hervorhebt, nämlich die der klassischen Prognosen über Zeitreihen, die den erwarteten künftigen Bedarf darstellen sollen. Probabilistische Vorhersagen kommen in der S&OP nicht vor. Ebenso wenig sind Extremrisiken, Lieferanten oder Konkurrenten Teil des Modells.
  • S&OP ist langsam, weil sie sich auf die Menschen stützt. Viele Unternehmen schaffen es nicht, eine monatliche S&OP Variante durchzuführen und bleiben bei einer vierteljährlichen Überprüfung des Plans stecken. Im Gegensatz hierzu, arbeiten moderne Supply-Chains mit maschinell gestützten Entscheidungen, deren Latenzzeiten (Minuten oder sogar weniger) zu vernachlässigen sind.
  • S&OP ist nicht auf umfangreiche miteinander verbundene Landschaften ausgerichtet, bei denen digitale Marktplätze auf Bedarfs- und auf Lieferantenseite auftauchen, bei denen Unternehmen nicht nur intern nach Abstimmung streben sondern auf Marktebene (z.B. über die Nutzung von Competitive Intelligence, oder Wettbewerbserkundung).
  • S&OP spielt die negativen Skaleneffekte runter, die in den 80ern noch nicht ganz verstanden wurden und sich jetzt bei viel komplexeren Supply-Chains, nicht nur physisch betrachtet (mit mehr Produkten, mehr Stufen, mehr Beförderern, usw.), sondern auch auf IT-Ebene (Rückverfolgbarkeit, Compliance, Cyber-Risiken, usw.) deutlich verschlechtert haben. Folglich erkennt S&OP viele der Herausforderungen, die auch heutzutage noch einen wesentlichen Bestandteil der Supply-Chains darstellen, wie etwa das Bedürfnis nach einer unternehmensweiten Abstimmung und die Bedeutung von datengestützten Entscheidungen. Dennoch sind die vom als S&OP bezeichneten Prozess vorgeschlagenen Ansätze etwas veraltet.

Lokads Ansicht auf das S&OP

Best-Practice-Modelle befinden sich im ständigen Wandel. Unser übergreifender Kritikpunkt ist, dass S&OP keine Wertsteigerung bietet : die für den S&OP-Prozess erforderlichen personellen Mittel werden verbraucht und nicht investiert. Doch Supply-Chains werden heute nach numerischen Lösungen betrieben, die über Software-Systeme übermittelt werden. S&OP konzentriert sich auf die Verbesserung des Endergebnisses, was einen unendlichen Prozess darstellt, da die Eingabedaten ständig aktualisiert werden. Im Gegensatz hierzu, steht im Mittelpunkt der heutigen Ansätze die Verbesserung der numerischen Lösungen selbst, was gewöhnlich mehrere Arten hochdimensionaler Statistiken einschließt (z.B. maschinelles Lernen), wodurch folglich diese numerischen Lösungen selbst ohne weitere manuelle Eingriffe ausgeführt werden können.

Referenzen

  • (1) Der Begriff „S&OP“ stammt von Dick Lings Buch Orchestrating Success: Improve Control of the Business with Sales & Operations Planning, 1988 erschienen.
  • (2) Das Konzept der Informationssilos stammt von Phil S. Ensors einseitigem Artikel The Functional Silo Syndrome, 1988 erschienen.