Auftragsrückstand

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Von Joannes Vermorel, Dezember 2016

Auftragsrückstände stellen Aufträge an den Lieferanten für Produkte dar, die an dem Standort, aus dem sie geliefert werden, bereits nicht auf Lager sind. Somit sind Auftragsrückstände ein Prozess, durch den ein Unternehmen einen Bestand verkauft, das im Lagerbestand nicht vorhanden ist. Ein Auftragsrückstand tritt nur auf, wenn der Bedarf formell erfasst wird: zum Beispiel würden die meisten Kunden in einem Einzelhandelgeschäft einfach weitergehen, wenn ein bestimmtes Produkt nicht im Regal vorhanden ist, ohne das Geschäft darüber zu informieren. Auftragsrückstände stellen eine bestimmte Herausforderung dar, was die Bestandsoptimierung betrifft, denn diese entsprechenden Einheiten werden vom Kunden mit einer gewissen Dringlichkeit benötigt.

Auftragsrückstände im Überblick

Auftragsrückstände bieten Kunden einen Weg, eine Einheit zu bestellen, die zurzeit nicht verfügbar ist. Diese Situation tritt oft bei Käufen im B2B-Bereich vor. Zum Beispiel sollte ein Vorrat von Teilen für Flugzeuge den ganzen Bedarf an Teilen decken. Dabei entsteht, wenn jegliche Anfrage nicht sofort aus diesem Lagerbestand gedeckt werden kann, ein Auftragsrückstand.

Doch Auftragsrückstände können auch im B2C-Bereich vorkommen, oft im Online-Handel. Hier wird gewöhnlich der Artikel als „innerhalb von 2 Wochen“ verfügbar markiert oder mit einem ähnlichen Lieferrahmen versehen. Dieser gilt als Schätzung des Einzelhändlers für die nötige Zeit bis zur Lieferung an den Kunden. Auch teure Produkte sind oft nicht im Lagerbestand vorhanden und werden im Geschäft dank Auftragsrückstand bestellt.

Im B2C-Bereich wird das bestellte Produkt nicht immer an den Kunden geliefert, weil die Lieferkosten gegenüber der Vorteile überwiegen (siehe Abschnitt über MOQs weiter unter). Daher ist es ratsam, wenn die Möglichkeit von Auftragsrückständen besteht, über einen bestimmten Vorgang zu verfügen, sodass das Produkt im angegebenen Zeitrahmen geliefert wird. Dieser Vorgang beinhaltet oft eine Rückerstattung für das Produkt, aber kann auch einen zusätzlichen Geschenkgutschein oder eine Entschädigung für eine nicht abgewickelte Bestellung bieten.

Quantitative Modellierung von Auftragsrückständen

Bei Auftragsrückständen sind Kunden fast immer besonders sensibel, was die Dauer des Fehlbestands betrifft. Denn in der Tat, verpflichten sich Kunden im Voraus, ein Produkt zu kaufen, das momentan nicht verfügbar ist. Daher werden sie eine weitere Verzögerung der Nichtverfügbarkeit als ein mangelndes Service seitens des Lieferanten empfinden.

Aus der Sicht der Bestandskontrolle, werden Auftragsrückstände gewöhnlich als Negativwerte im verfügbaren Bestand dargestellt. Der verfügbare Bestand sollte nicht mit dem Lagerbestand verwechselt werden. Letzterer bezieht sich auf die Bestandsmenge, die physisch im Regal vorhanden ist. Per Definition kann der Lagerbestand nicht unter null liegen, während der verfügbare Bestand sowohl positive, als auch negative Werte einnehmen kann.

Geht man von der Perspektive der Bestandsoptimierung aus, wird bei Modellierung der Auftragsrückstände über die Bestands-Belohnungsfunktion die wirtschaftliche Strafe für Fehlbestände, insbesondere für Auftragsrückstände, als ziemlich hoch, sogar gleich groß oder höher als der Verkaufspreis des Produkts, bewertet.

MOQs und Auftragsrückstände

Sind Mindestbestellmengen (MOQs) vorhanden, wirken sie sich auf die Auftragsrückstände aus: in diesem Fall ist es nicht möglich, einen Auftrag zu erteilen, der der Menge des Auftragsrückstandes entspricht, da der Auftrag die MOQ-Bedingungen einhalten muss. Bei großen MOQs, ist es nicht immer sinnvoll, jegliche Auftragsrückstände zu erfüllen, da die Einhaltung der MOQ-Bedingung zu einen beträchtlichen toten Bestand führen kann.

Der erste Schritt, um eine solche Situation zu vermeiden, besteht darin, die Berechnungen, die die Verfügbarkeit des Produkts unter Berücksichtigung der MOQs bestimmen, zu verfeinern. Die MOQ-Bedingung wird zur Berechnung und der Anzeige der Lieferverzögerung benutzt, entsprechend der Verzögerung, der sich der Kunde aussetzt, wenn er sich für die Option mit einem Auftragsrückstand entscheidet.

Zusätzlich muss eine Richtlinie zur priorisierten Bestellung benutzt werden, um die Auswirkung der Strafe für den zusätzlichen Fehlbestand, der durch die Auftragsrückstände entsteht, richtig zu modellieren. Tatsächlich können diese Richtlinien solche Bedingungen, die sich auf mehrere Produkte beziehen, nicht besonders gut handhaben. Denn MOQs werden nicht nur durch die Bestellung der Produkte aus dem Auftragsrückstand erfüllt, sondern erstrecken sich über viele andere Produkte, die auch einen geringen Bestand haben.

Rückgaben und Auftragsrückstände

In manchen Zweigen, sowie etwa in der Modebranche, kommt eine stetige Menge an Rückgaben vor, die manchmal sogar 50 % der ursprünglichen Nachfrage ausmachen. In solchen Fällen ist es mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Auftragsrückstände durch erwartete Rückgaben erfüllt werden. Dementsprechend muss keine Bestellung an den Lieferanten aufgegeben werden.

Aus der Sicht der Bestandsoptimierung, werden solche Fälle durch die Kombination der probabilistischen Bedarfsprognose mit der probabilistischen Rückgabeprognose erledigt. Beide probabilistische Prognosen werden durch Faltung kombiniert, was den reinen Bedarf ergibt, eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, bei der negative Bedarfswerte möglich sind. Diese stellen die Fälle dar, bei denen die Rückgaben vorübergehend über dem Bedarf liegen.

Um es zu unterstreichen, muss eine Richtlinie zur priorisierten Bestellung vorliegen, um die Auswirkung der Auftragsrückstände bei gleichzeitigen Rückgaben zur vereinen. Es ist auch möglich Rückgaben, MOQs und Auftragsrückstände zu kombinieren, doch dies erfordert gewöhnlich die Benutzung eines spezifischen numerischen Lösers.

Container und Auftragsrückstände

Manche Vertreiber bevorzugen eine etwas verschwommene Trennung zwischen Auftragsrückständen und gewöhnlichen Bestellungen, beim Verkauf von Bestand, während dieses noch verschifft wird. So geht die Einfuhr aus Übersee oft mit sehr langen Durchlaufzeiten, von bis zu 10 Wochen oder mehr, einher. Dennoch bietet eine genaue Analyse der eintreffenden Container die Möglichkeit, Produkte mit deutlich niedrigeren Durchlaufzeiten zu verkaufen, wobei keine Produkte verkauft werden, die nicht effektiv Teil des Bestands sind.

Der Verkauf von Bestand, der sich noch im Lieferprozess befindet bietet aus der Cash-Flow-Perspektive erhebliche Vorteile für Vertreiber und trägt außerdem zur allgemeinen Minderung von Bestandsrisiken bei, indem es die Verpflichtung des Unternehmens bezüglich unverkauften Bestandsmengen reduziert.

In der Praxis bedarf der Verkauf von Bestand, der noch geliefert wird, einer probabilistischen Prognose der Durchlaufzeiten, denn die Berechnung der Lieferzeiten, die dem Kunden angeboten werden, muss auch die wirtschaftlichen Risiken einer falschen Schätzung der Durchlaufzeiten seitens der Lieferanten berücksichtigen.